In den über 60 Jahren seit der Gründung des Staates Israel überlebt dessen demokratisches System immer wieder verbale, juristische oder militärische Angriffe - meist unbeschadet. Die Angriffe kommen entweder als Teil der demokratischen Debatte aus der israelischen Mitte selber oder dann im Rahmen einer nicht selten in antisemitische Untiefen abgleitenden Israelkritik aus der internationalen Völkergemeinschaft beziehungsweise der offen undemokratisch regierten Staaten in Israels Umgebung.

Israels parlamentarisches System kennt das allgemeine Wahlrecht für alle LandesbürgerInnen, ungeachtet ihrer ethnischen oder religiösen Abstammung. In der Praxis bekunden aber Angehörige der arabischen und drusischen Minderheiten (zusammen über 20 Prozent der Einwohner) oft Probleme, im staatlichen Sektor Karriere zu machen, ganz besonders, wenn es sich um Betriebe aus dem Sicherheitsbereich handelt.

Staatsoberhaupt ist der von der Knesset gewählte Präsident mit vorwiegend zeremoniellen Aufgaben. Beispiele wie etwa Ezer Weizman oder Shimon Peres zeigen aber, dass auch Staatspräsidenten aktiven und intensiven Anteil am politisch-diplomatischen Alltag nehmen. In der Regel beauftragt der Präsident die stärkste Partei in der 120-köpfigen Knesset mit der Regierungsbildung, die oft Wochen und Monate dauern kann.

Die Schwächen des Systems liegen unter anderem in der niedrigen Sperrklausel. Parteien müssen für den Einzug in die Knesset nur zwei Prozent aller Stimmen erringen. Das verleiht kleinen Parteien eine über ihre effektive Stärke hinausgehende Macht. Politisch-finanzielle Druckversuche können die Folge sein. Das wiederum untergräbt die Stabilität des Systems: Effektiv sollte alle vier Jahre gewählt werden, doch seit 1988 konnte keine Koalition ihre Kadenz mehr voll aussitzen. Die durchschnittliche «Lebensdauer» einer Regierung liegt bei nur 22 Monaten. Weitere Unruhefaktoren sind der Friedensprozess, das Spannungsverhältnis zwischen Religion und Staat und immer häufigere Aufdeckungen von Skandalen mit Prominenz aus Politik und Wirtschaft als Akteuren. Die völlige Freiheit geniessende, oft recht aggressive Presse spielt bei der «Ausmistung des Augiasstalls» eine wichtige Rolle.

Ein israelisches Unikum ist das Rückkehrergesetz von 1950, das einwanderungswilligen Juden Sonderrechte einräumt. Damit wollten die Initianten und wollen deren politische Erben den jüdischen Charakter des Staates bewahren. Laut Gesetz ist der Staat nicht nur für die in ihm lebenden Juden die Heimat, sondern für alle Juden der Welt. Das Gesetz räumt das Recht auf Rückkehr geborenen Juden (Menschen mit einer jüdischen Mutter oder einer jüdischen Grossmutter mütterlicherseits), Menschen mit einer jüdischen Vorgeschichte (jüdischer Vater oder Grossvater) und Konvertiten ein, wobei die von der Ultraorthodoxie abgelehnten Übertritte der Reform- und konservativen Bewegung ausserhalb Israels vollzogen werden müssen. In Israel selber ist das Übertrittswesen fest in den Händen des orthodoxen Rabbinats. Das ursprünglich nur auf Juden anwendbar gewesene Gesetz erfuhr 1970 eine Erweiterung: «Die Rechte eines Juden gemäss diesem Gesetz und die Rechte eines Oleh (Immigranten) gemäss dem Nationalitätengesetz (1952)... gelten auch für das Kind und Enkelkind eines Juden, den Ehegatten bzw. der Gattin eines Juden, den Gatten des Kindes eines Juden und den Gatten des Enkels eines Juden.» Über dem politischen System wachen das Rechtswesen und die Armee, beide um ihre Unabhängigkeit bedacht. Das Rechtssystem besteht aus Friedens- und Bezirksgerichten (die sowohl Berufungs- als auch Erstinstanz-Gerichte sind) und dem Obersten Gerichtshof. Eheschliessungen und Scheidungen werden von den jüdischen, muslimischen, drusischen und christlichen Religionsgerichten vollzogen. Hinsichtlich Bürger- und politischen Rechten geniesst Israel generell einen guten Ruf, der im Zuge des israelisch-arabischen Konflikts allerdings einige Einschränkungen in Kauf nehmen musste.

Die Armee schliesslich hielt sich lange kompromisslos aus politischen Polemiken heraus. Entsprechend absolut war sie im Volk angesehen, und Kritik an Fehlleistungen blieb auch dann verpönt, wenn sie eigentlich am Platz gewesen wäre. Falsch vorbereitete Feldzüge, Skandale auf Offiziersebene, die Debatte rund um den Preis, der für entführte oder gefallene Soldaten zu entrichten ist, sowie die offene Kritik von Soldaten an der Räumung von Siedlungen in den Gebieten erschütterten aber die Position der Armee. Deren Qualität bleibt im Wesentlichen jedoch ungebrochen, und das eigene Volk wie der Feind wissen, dass sie im Ernstfall weiter mit ihr rechnen dürfen beziehungsweise. müssen.

Autor

Jacques Ungar, 2009

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