Mittelalter

Die frühesten Belege für die Anwesenheit von Juden in Luzern finden sich für die Zeit nach 1251. Die kleine jüdische Gemeinschaft war 1348/51 von den Verfolgungen der Pestzeit bedroht und flüchtete sich vermutlich nach Sursee. Nach 1386 wohnten wieder Juden in Luzern. In der städtischen Topographie sind ein „Judenturm“ und eine „Judengasse“ nachgewiesen. Die Juden trieben Geldhandel und durften Häuser erwerben. Nach 1425 erhielten nur noch jüdische Ärzte als gesuchte Spezialisten eine Aufenthaltserlaubnis (1544, 1565 Samuel Tedesco).

In einem Osterspiel aus der Zeit der Gegenreformation verspottete der Staatschreiber Rennward Cysat (1545-1614) die talmudische Lernmethode (1543). Bis zum 17. Jahrhundert schweigen - nach jetzigem Forschungsstand - die Quellen.

Neuzeit

Um 1650 waren Juden in der Alten Eidgenossenschaft und ihren Nachbargebieten auf dem Land sesshaft und betätigten sich als Hausierer, Viehmakler und -händler. Vom elsässischen Sundgau, der Nordwestschweiz, dem gemeinsam verwalteten Untertanengebiet „Grafschaft Baden“ und der süddeutschen Nachbarschaft her bereisten sie Luzern.

Die moderne Gemeinde

1798 versuchten in Luzern die Vorsteher der jüdischen Gemeinden Endingen und Lengnau ihre Gleichberechtigung durchzusetzen - ohne Erfolg. Die Luzerner Regierungen verhielten sich Juden gegenüber bis in die 1860er Jahre abweisend, auch der nach 1848 liberale Regierungsrat. Ein Anführer der katholisch-konservativen Opposition gegen den neuen Bundesstaat war Philipp Anton von Segesser (1817-1888). Er träumte von einer rein christlichen Gesellschaft und war von Vorstellungen jüdischer Verschwörungen gegen den Katholizismus befangen.

Durch französischen Druck erhielten 1864 Elsässer, 1866 auch Schweizer Juden das Recht auf Niederlassung in der Schweiz. 1866 gründeten jüdische Zuzüger den „Israelitischen Kultusverein“, mieteten einen Betsaal und stellten 1867 einen Vorsänger (Simon Götschel) an. 1884 konnten sie einen Friedhof einrichten. Endinger und Elsässer Familien bildeten den Grundstock der Gemeinde. Abraham Erlanger, zusammen mit seinem Neffen Simon Erlanger Sr. aus dem badischen Gailingen über Endingen und Sursee nach Luzern kommend, sorgte für eine neo-orthodoxe Ausrichtung der Einheitsgemeinde.

Durch die Spende eines Kurgastes konnte 1912 eine Synagoge eingeweiht werden. Der Textilkaufmann Simon Erlanger Sr. wurde 1911 als einer der ersten Schweizer Juden auf der Liste der Liberalen Partei Mitglied des „Grossen Stadtrates“ (=Legislative) und präsidierte 1912- 1941 die Jüdische Gemeinde. Als Rabbiner wirkten Samuel Brom (1919-1963), Benjamin Pels (1962-1993) und von 1994 bis 2008 Israel Mantel. Nach 1900 wanderten ostjüdische Familien zu, die bis 1922 eine eigene Betgemeinschaft unterhielten.

Im Juli 1933 verwüstete ein aufgehetzter Luzerner den Innenraum der Synagoge. Vom 20. August bis 5. September 1935 fand der 19. Zionistenkongress statt. 492 Delegierte, 240 Pressevertreter und bis zu 2’500 Besucher wurden verzeichnet. „Frontisten“ (=Schweizer Faschisten) bewarfen die Unterkünfte mit Petarden. Bis 1945 führte der Luzerner Polizeipräsident ein strenges Regiment gegen jüdische Flüchtlinge.

Kriens

1958 wurde eine Talmudhochschule unteren Grades (= “Jeschiwa ketana“) eröffnet, die 1967 nach Kriens verlegt wurde. Einige Jahre lang existierte auch ein ultraorthodoxes Lehrerinnenseminar („Bet Jacob“). Sehr angesehen war der Arzt und Gross-Stadtrat (1955-71) Werner Wyler.

Gegenwart

In den 1970er Jahren zogen jüdische Geschäftsleute aus dem angelsächsischen Raum in die Innerschweiz. Die Ausrichtung der Gemeinde wurde in den letzen 30 Jahren traditionalistischer („charedisch“, d.h. streng oder ultraorthodox). Einige Luzerner Juden sind deshalb Zürcher Gemeinden beigetreten oder nach Israel ausgewandert. Seit etwa zehn Jahren entfalten die Lubawitscher Chassidim auch in der Innerschweiz eine rege Tätigkeit.

Die Jüdische Gemeinde Luzern wies im Jahre 2004 noch 200 Mitglieder auf. Nach der Volkszählung wohnten 1980 587 Juden im Kanton Luzern. Die Gemeinde ist heute nicht mehr Mitglied im Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund.

Autor

Uri R. Kaufmann, 2009

Literatur

„Luzern“, in: Germania Judaica (= Ortslexikon jüdischer Gemeinden des Mittelalters), Bd. II/1, S. 503, Bd. III/1; S. 768.

Kaufmann, Uri R.: Juden in Luzern, Luzern 1984. Kaufmann, Uri R.: Die jüdische Welt trifft sich in Luzern. Der Zionistenkongress des Jahres 1935; in: Jahrbuch Historische Gesellschaft Luzern 26 (2008); S. 29-44.

Schweizerischer Israelitischer Gemeindebund (Hg.): Jüdische Lebenswelt Schweiz, Zürich 2004, S. 147, 472.

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