Obwohl das Judentum das einmal mehr, einmal weniger streng ausgelegte "Abbildungsverbot" kennt, gibt es über die Jahrhunderte hinweg dennoch bildende Kunst von Juden und Jüdinnen - als Kunsthandwerk sogar im rituellen Kontext. Im 20. Jahrhundert manifestierte sich auch in der Schweiz eine Explosion der Repräsentanz bildender jüdischer Künstler.

Das berühmteste Werk eines jüdischen Künstlers in der Schweiz sind gewiss die Bildfenster im Zürcher Fraumünster, die Marc Chagall als Jude für eine christliche Kirche geschaffen hat. Kaum bekannt ist hingegen, dass in Basel 1901 anlässlich des 5. Zionistischen Kongresses Martin Buber die erste Ausstellung "jüdischer Kunst" veranstaltete.

Diese Künstler waren bezeichnenderweise nicht Schweizer. Damals wurden kulturzionistische Fragen hierzulande vor allem unter ausländischen jüdischen Studenten erörtert. Namhafte künftige bildende Künstler wuchsen derweil in der Schweiz aber schon heran, so etwa der expressive Portraitist und Maler Varlin (Willy Guggenheim, 1900-1977), der Surrealist Kurt Seligmann (1900-1962); Alis Guggenheim (1896-1958), die in naiver Malart ihre ländliche Kindheitswelt im traditionell jüdischen Lengnau verewigte, oder Xanti Schawinsky (1904-1979), in den 20er Jahren am Bauhaus, später in den USA und im Tessin tätig.

Zu den Begründern des Dadaismus, der im Kreise der Exilanten in Zürich entstand, zählten während des Ersten Weltkriegs Marcel Janco (1895-1984) und Tristan Tzara (1896-1963). Im Krieg kamen unter anderen der engagierte Grafiker Gregor Rabinovitch (1884-1958) und der Zeichner und Portraitist Wladimir Sagal (1898-1969) ins Land.

Von einem Schweizer Kunsthandel kann man erst ab etwa 1910 sprechen – auch dabei spielten jüdische Protagonisten (etwa Gustave und Léon Bollag sowie Toni Aktuaryus) eine bedeutende Rolle. Während des Zweiten Weltkriegs war dieser Marktplatz als wichtige Umschlagstelle für geraubte und zwangsveräusserte Kunst von zwielichtiger Bedeutung. Nach 1950 begann sich die Anzahl der Galerien rasch zu erhöhen. Aus der boomenden Gegenwart sei lediglich Esther Eppstein (*1967) mit ihrem konsequenten Einsatz für die jüngste Generation Kunstschaffender herausgepickt.

Jüdische Künstler, in der Schweiz tätig oder hier geboren, sind in vielfältigsten Kunstrichtungen vertreten. Nur ein paar wenige können stellvertretend für viele andere genannt werden: Zur Zürcher Schule der Konkreten gehörte Verena Loewensberg (1912-1986), während Isa Hesse-Rabinovitch (1917-2003) eine der ersten experimentellen Schweizer Videokünstlerinnen war; Régine Heim (1907-2004) und Susi Guggenheim-Weil (1921-2001) gestalteten hingegen kultische Objekte sowie Glasfenster. Jüngst hat Dan Rubinstein (*1940) als ein Künstler, der sich intensiv mit jüdischer Symbolik befasst, für eine römisch-katholische Kirche Bildfenster entworfen.

Mit der menschlichen Figur ein Leben lang beschäftigt sind sowohl der Bildhauer Hans Josephsohn (*1920) und sein skulpturales Werk, für das in Giornico ein Museum gebaut wurde, als auch der Maler und Dichter Alex Sadkowsky (*1934) mit seinem surrealistisch inspirierten Oeuvre. Miriam Cahn (*1949), welche die weibliche Sicht- und Erlebnisweisen erkundet, arbeitet oft seismografisch, etwa während des Golfkriegs. Renée Levi (*1960) beschäftigen vornehmlich raumskulpturale Qualitäten von Oberflächen und Rauminterventionen. Der Genfer Professor Gilbert Mazliah drückt sich in verschiedenen Medien von Keramik bis Performance aus und hat viele Künstler geprägt. Seit 1997 lebt in Basel Naftali Bezem (*1924), der Israel auf Biennalen und Weltausstellungen vertreten hat. Er ist der Autor des 1970 entstandenen grossen Reliefs in der Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem.

Es gibt natürlich auch Künstler, die abseits des geschäftigen Kunstbetriebs arbeiten. Erwähnt sei Fishel Rabinowicz (*1924) in Locarno, der Buchstabenmotive in der traditionellen Technik der Scherenschnitte gestaltet.

1941 wurde in Zürich der Verein Omanut gegründet. Als seither ununterbrochen tätige Organisation der Förderung jüdischer Kunst verpflichtet, ist sie in Europa ein Unikum. Mit einem seit 1995 regelmässig vergebenen Förderpreis wurden in der Sparte bildende Kunst bisher die folgenden Personen – die hier auf den gegenwärtigen Reichtum der Ausdrucksmittel verweisen mögen – ausgezeichnet: der Multimedia-Künstler Gérard Uriel Orlow (*1973), der Bildhauer Daniel Häsli (*1968), die Kupferdruckerin Franziska Schiratzki (*1960), die mit Bild und Ton arbeitende Betty Leirner (*1959), die Malerin Catherine Brandeis (*1957) und 2009 die Performancekünstlerin Marina Belobrovaja (*1976).

Autorin

Katarina Holländer, 2009

Literatur

Gilya Gerda Schmidt: The Art and Artists of the Fifth Zionist Congress, 1901. Heralds of a New Age. Syracuse, New York, 2003.

Günter Golinski, Sepp Hiekisch-Picard (Hg.): Das Recht des Bildes. Jüdische Perspektiven in der modernen Kunst. Bochum 2003.

Katarina Holländer: Die Frage nach der jüdischen Kunst. 60 Jahre "Omanut, Verein zur Förderung jüdischer Kunst in der Schweiz", Zürich 2001.

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