Erinnerung

Gegen das Vergessen: Der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust im Zeichen der Erinnerung und der Aufklärung

Der 27. Januar ist der Internationale Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. SIG-Präsident Ralph Lewin gedenkt der Opfer und spricht in einer Grussbotschaft von der Verantwortung des Erinnerns und der Pflicht der Aufklärung.

Jedes Jahr am 27. Januar, dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust, gedenken wir allen, die der Ideologie der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind. An diesem Tag 1945 wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau befreit. Das Wort «Auschwitz» steht heute nicht nur für das grösste Konzentrationslager seiner Art. Es steht auch synonym für die unvorstellbaren Verbrechen durch die Nationalsozialisten und das unermessliche Leid der Opfer.

Auch 79 Jahre später wird der Opfer und Überlebenden gedacht, gleichermassen betroffen wie damals. Die Erinnerung ist heute zusätzlich geprägt von den unfassbaren Ereignissen des 7. Oktobers 2023, die für viele Menschen in Israel, aber auch für die Jüdinnen und Juden in der Diaspora, einen bleibenden Schock bedeuten.

Auch dieses Jahr führt der World Jewish Congress seine #WeRemember-Kampagne zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust durch. Bis zum 27. Januar werden auf Social Media unter dem Claim #WeRemember die Menschen dazu aufgerufen, sich gegen das Vergessen und für das Erinnern einzusetzen. Der SIG unterstützt diese Kampagne.

Grussbotschaft von Ralph Lewin

Gestern Abend fand in Bern der Gedenkanlass zum International Holocaust Remembrance Day statt, der jedes Jahr von der israelischen Botschaft organisiert wird. Die offizielle Schweiz wurde durch Nationalratspräsident Eric Nussbaumer und die jüdische Gemeinschaft durch SIG-Präsident Ralph Lewin vertreten. Ralph Lewin sprach in seiner Grussbotschaft von der Bedeutung von Erinnerung – an die Opfer der nationalsozialistischen Ideologie und die Ereignisse der Vergangenheit. Er appellierte auch an die Verantwortung, die Geschichte faktengetreu weiterzugeben und nach den Ereignissen des 7. Oktobers nicht wegzuschauen.

Seine Rede wird hier wiedergegeben. Es gilt das gesprochene Wort.

Campus Muristalden in Bern, 25. Januar 2024

Herr Nationalratspräsident,

Exzellenzen,

Sehr geehrte Überlebende und ihre Nachkommen,

Kwod harabbanim,

Liebe Lehrerschaft und Schülerinnen und Schüler des Campus Muristalden

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wir sprechen heute über die Zukunft der Holocausterinnerung im 21. Jahrhundert. Dieses wichtige Anliegen müssen wir leider auch im Lichte der unfassbaren, schrecklichen Ereignisse des vergangenen 7. Oktobers in Israel betrachten. Dieses Datum hat für die Menschen in Israel, ebenso wie für uns Jüdinnen und Juden in der Diaspora, alles verändert. Die Bilder und Berichte von den bestialischen Ermordungen, von den vergewaltigten Frauen und von den nach Gaza verschleppten Geiseln, darunter viele Kinder, die bis heute in den Fängen der Hamas sind, sind kaum auszuhalten. Wir haben es hier mit dem grössten Massaker an Jüdinnen und Juden seit der Schoah zu tun.

Viele von uns, deren Familiengeschichten von der Schoah geprägt sind und die erlebte oder vererbte Traumata haben, wurden durch die Ereignisse des 7. Oktobers und seiner Folgen retraumatisiert. Es musste Raum geben für die Trauer, die Wut, die Fassungslosigkeit und die Angst.

Aber wir haben eine grosse Pflicht: die Pflicht hinzuschauen und laut zu sein, die Täter und die Gräuel zu benennen und alles dafür zu tun, dass die Geiseln wieder freigelassen werden. Wir haben die Pflicht aufzuklären. Und wir dürfen Fake News keinen Platz geben.

Dies gilt für die Geschehnisse des 7. Oktobers und für den Antisemitismus, der sich wieder erschreckend klar und deutlich überall manifestiert, auch bei uns in der Schweiz.

Diese Pflicht gilt genauso, wenn wir von der Schoah sprechen: Wir haben die Verantwortung, die Geschichte weiterzugeben und dabei die Fakten zu beschützen. Das ist auch einer der Gründe, weshalb sich der SIG, zusammen mit anderen Organisationen, stark macht für die Errichtung eines nationalen Erinnerungsortes, eines Schweizer Memorials für die Opfer des Nationalsozialismus, das in der Stadt Bern entstehen soll.

Wir sind zuversichtlich, dass wir mit dem Engagement des Bundes und der Stadt Bern bereits in diesem Jahr entscheidende Schritte nach vorn werden machen können.

Besonders wichtig ist für uns die Vermittlung der Geschichte an die junge Generation und die Bildungsarbeit. Deshalb finden wir es ausgezeichnet, dass die heutige Feier wiederum in einer Schule stattfindet. Viele jüngere Menschen kennen die Geschichte der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs kaum. Sie sind sich zum Beispiel nicht bewusst, welche Rolle die Schweiz als Drehscheibe beim Goldhandel zugunsten der deutschen Reichsbank, beim Warentransit zwischen den Achsenmächten oder gar bei Waffenverkäufen an Nazi-Deutschland spielte.

Auch die Bedeutung, die den Schweizer Grenzen während des Krieges zukam, ist weitgehend unbekannt. Sie boten oft Schutz, aber verhinderten leider ebenso oft das Überleben, denn viele Flüchtlinge wurden hartherzig abgewiesen.

Und wer entschied über Leben oder Tod? Glücklicherweise gab es auch die Menschen, die mit ihrer Zivilcourage politischen Entscheiden aus Bern zuwiderhandelten.

Auch solche Geschichten dürfen nicht vergessen gehen, müssen zurück ins Bewusstsein der Menschen. Auch dabei hat ein Schweizer Memorial, wie es für Bern in Planung ist, eine bedeutende Aufgabe. Dieses wird man zudem unbedingt mit dem grenzüberschreitenden Vermittlungsprojekt in St. Gallen am Rhein verbinden müssen. Dort, wo direkt am Ort des Geschehens, die damaligen Fluchtgeschichten unmittelbar begreifbar werden, so wie an anderen Grenzorten der Schweiz.

In einem weiteren Schritt muss dann eine Vernetzung mit den bereits existierenden Erinnerungsorten in der ganzen Schweiz geschehen, damit die Vermittlung überall im Land stattfinden kann.

Die Schweiz braucht ein offizielles Memorial, davon sind wir überzeugt. Wir hoffen dabei auch auf Ihre Unterstützung.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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