Friday, 5. June 2015, Luzern

Sehr geehrte Frau Damen und Herren Wie jedes Jahr freue ich mich, zu Ihrer Nationalsynode eingeladen zu sein und bedanke mich für die Gelegenheit, Ihnen die besten Grüsse und Wünsche des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG, des Dachverbandes der Juden in der Schweiz, zu überbringen. Ich tue dies mit grosser Freude und Ehre.

Im November jährt sich zum 210. Mal der Geburtstag von Augustin Keller, dem Mitbegründer der christkatholischen Kirche in der Schweiz, aber auch engagierter Kämpfer für die Gleichstellung der Juden in der Schweiz. Dafür ist die jüdische Gemeinschaft Augustin Keller unendlich dankbar. Diese Dankbarkeit ging sogar so weit, dass eine jüdische Bruderschaft in Zürich, die AKL, nach ihm benannt wurde. Dass Augustin Kellers Einsatz für die Juden zwar nicht nur aus reiner Nächstenliebe geschah, wissen wir heute. Er kämpfte zwar für die Gleichstellung, forderte aber von den Juden beispielsweise, gewissermassen im Gegenzug, dass sie den Sabbat vom Samstag auf den Sonntag verlegen sollten. Nun, das ist aus heutiger Sicht sicher problematisch, doch aus der Sicht von damals, als Vorurteile gegen Juden weit verbreitet waren, wahrscheinlich ganz normal.

Die vollständige Gleichberechtigung in der Schweiz, also die Niederlassungsfreiheit und die volle Ausübung der Bürgerrechte, erlangten die Juden vor 150 Jahren im Jahre 1866. Wir werden im nächsten Jahr feierlich daran erinnern. So will es also der Zufall, dass die Christkatholiken und die Juden in der Schweiz jeweils ein Jubiläumsjahr, das miteinander verknüpft ist, nah beieinander feiern, Sie den 210. Geburtstag von Augustin Keller und wir das 150 jährige Jubiläum der Gleichstellung der Juden in der Schweiz.

Doch ist Augustin Keller natürlich nicht die einzige Verbindung zwischen unseren Gemeinschaften: Wir leben beide als kleine religiöse Minderheiten in der Schweiz, in einer Gesellschaft, die wenig über uns weiss. Und nicht selten entpuppt sich vermeintliches Wissen als Halb- oder als Unwissen. Dem können, ja müssen wir mit Information und Aufklärung entgegenwirken. Als jüdische Minderheit beschäftigen uns zwar andere, gravierendere Probleme als Sie als christliche Minderheit: Während die Christkatholiken wahrscheinlich ganz allgemein mit Unwissen seitens Angehöriger anderer Konfessionen konfrontiert sind, erleben wir Juden immer wieder Ablehnung und Ausgrenzung, bis hin, gerade auch in letzter Zeit, zu Antisemitismus. Deshalb ist es unser aller Pflicht, Vorurteile und Ignoranz abzubauen und jeglicher Form von Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus entschieden entgegenzutreten.

Nun aber zu Erfreulicherem: Seit vielen Jahren pflegen wir vor allem regional gute, freundschaftliche Kontakte, die Du, lieber Harald Rein, und ich als langjährige Mitglieder des Schweizerischen Rats der Religionen noch weiter vertiefen konnten. Ich schätze diesen Austausch und bin davon überzeugt, dass der interreligiöse Dialog das Richtige ist, das zu gegenseitigem Respekt und Achtung gegenüber Andersdenkenden führt. Ebenso soll dieser Dialog dazu dienen, uns gegenseitig besser kennen und verstehen zu lernen, das Vertrauensverhältnis zwischen unseren Glaubensgemeinschaften zu stärken und Vorurteile abzubauen, die zwischen Christen und Juden über Jahrhunderte etabliert wurden. Daran können beide Seiten nur interessiert sein! So haben wir mit Genugtuung zur Kenntnis genommen, dass die christkatholische Kirche in der Schweiz im Jahr 2008 den bis anhin verwendeten, für uns problematischen Text der Karfreitagsfürbitte für die Juden angepasst hat.

Viel wurde im jüdisch-christlichen Dialog bereits unternommen. Der richtige Weg ist eingeschlagen. Doch möchte ich hier den Wunsch aussprechen, das Gespräch, gerade auch mit dir, Harald, offen fortzusetzen und unseren Austausch weiter zu vertiefen. In einer Epoche zunehmender Distanz weiter Kreise zu religiösem Leben erhält ein solcher Dialog eine besondere gesellschaftliche Bedeutung: Religiöse Gemeinschaften werden in modernen westlichen Gesellschaften wie der Schweiz glücklicherweise nicht mehr verfolgt, aber zunehmend mit Distanz und oft wegen mangelnden Wissens skeptisch beobachtet. Diese Entwicklung betrifft nicht nur uns Juden. Alle religiösen Gemeinschaften haben diesbezüglich mit ähnlichen Problemen zu kämpfen – tun wir dies doch vermehrt gemeinsam! Auch deshalb ist der interreligiöse Dialog unverzichtbar.

An dieser Stelle möchte ich an den letzte Woche verstorbenen Rolf Bloch erinnern, von 1992-2000 Präsident des SIG, der im Jahr 2000 von der christkatholischen Fakultät der Universität Bern einen Ehrendoktortitel erhielt. Wie kein anderer setzte er sich für den jüdisch-christlichen Dialog ein und war ein leuchtendes Beispiel für gelebte Toleranz. Er wird uns als grosses Vorbild in Erinnerung bleiben.

Der Austausch auf institutioneller Ebene ist wichtig. Diesen sollten wir weiterhin führen und pflegen. Doch am meisten Potenzial sehe ich bei der jungen Generation im ganz persönlichen Kontakt. Der SIG bietet seit vielen Jahren das sehr erfolgreiche Projekt Likrat an, bei dem jüdische Jugendliche auf Augenhöhe mit nicht jüdischen Schülerinnen und Schülern über das gelebte Judentum diskutieren und so Vorurteile abbauen können.

Hunderte solcher Begegnungen haben in den letzten Jahren stattgefunden, Tausende von Jugendlichen haben sich auf diese Weise kennengelernt und ausgetauscht. Die Feedbacks der Schulen, die wir besuchen, aber auch der jüdischen Jugendlichen, die wir ausbilden, sind sehr positiv und ermutigend. Hier sehe ich einen Weg, auf dem sich unsere Jugendlichen kennenlernen und den Grundstein für ein besseres Verständnis und eine engere Zusammenarbeit legen können.

Abschliessen möchte ich mit der Hoffnung, dass solche Begegnungen gerade auch zwischen christkatholischen und jüdischen Jugendlichen bald stattfinden werden. Diese können unkompliziert über unsere Internetseite organisiert werden.

Und zuletzt möchte ich Ihnen nochmals ganz herzlich für die freundliche Einladung danken und wünsche Ihnen weiterhin eine erfolgreiche Nationalsynode.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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