Erinnerung

«Der Holocaust darf niemals in Vergessenheit geraten»

Im Jahr 2017 hatte die Schweiz den Vorsitz der International Holocaust Remembrance Alliance IHRA. Was hat der Schweizer Vorsitz erreicht? Darüber haben wir mit Botschafter Benno Bättig gesprochen, der die IHRA dieses Jahr präsidiert.

SIG: Der IHRA-Vorsitz der Schweiz neigt sich langsam dem Ende zu. Sie haben unter anderem den Fokus der IHRA geschärft, zwei IHRA-Plenarsitzungen durchgeführt und zahlreiche Projekte unterstützt. Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?

Benno Bättig: Ja, der Schweizer Vorsitz darf mit dem bislang Erreichten zufrieden sein. Unter unserem Vorsitz ist es erstmals gelungen, eine neue Strategie der IHRA zu verabschieden, welche es der 31 Mitgliedstaaten umfassenden Organisation erlauben wird, künftig fokussierter zu arbeiten,

Mit unseren gesetzten Prioritäten Bildung, Jugend und soziale Medien ist es uns geglückt, im laufenden Jahr speziell die jungen Menschen zu erreichen, um ihnen Wissen über den Holocaust zu vermitteln. So haben wir zum Beispiel mit Schulklassen gearbeitet, die mit Holocaustüberlebenden über die Erfahrungen diskutierten und sogar deren Memoiren übersetzten oder auch die Ausstellung «Die letzten Holocaustüberlebenden» besuchten. Überdies unterstützten wir die Entwicklung einer Lern-App für den Unterricht. Schliesslich organisieren wir im kommenden Januar eine Konferenz über Bildung zum Thema Holocaust. Ich bin überzeugt, dass mit dieser Konferenz der Fokus auf dieses wichtige Thema geschärft und die Rolle der Schweiz noch breiter wahrgenommen wird.

Die IHRA hat zwei Hauptprioritäten definiert: Den Kampf gegen die Relativierung und Leugnung des Holocaust sowie den Schutz von Gedenkstätten. Warum soll sich die IHRA auf genau diese zwei Punkte konzentrieren?

Mit ihrem Engagement im Kampf gegen die Relativierung und Leugnung des Holocaust sowie den Schutz von Gedenkstätten zielt die IHRA darauf hin, das Bewusstsein zu schärfen, zu welchen Folgen Antisemitismus, Rassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung führen können. Dieses Bewusstsein ist umso wichtiger, wenn Tendenzen stärker werden, die den Holocaust nivellieren oder gar leugnen wollen und Ausgrenzung von Menschen als Ziel und Mittel der Politik verstehen. Auf einer übergeordneten Ebene erlaubt die Definition weniger Prioritäten, die von allen Mitgliedstaaten getragen werden, dass die IHRA ihre Zielsetzungen noch koordinierter und damit wirksamer verfolgen kann.

Heute trifft man vor allem im Internet auf viele Antisemiten und Holocaustleugner. Inwiefern kann die IHRA dem Rechnung tragen respektive Gegensteuer geben – heute und in Zukunft?

Gerade hier wird deutlich, wie wichtig es ist, nur schon die Relativierung, nicht erst die Leugnung des Holocaust zu bekämpfen. Dies gilt namentlich auch für die Jugend, weshalb mit Bezug auf Antisemiten und Holocaustleugner sowohl der IHRA als auch mir persönlich die Jugend als Zielgruppe unserer Arbeit besonders am Herzen liegt. Im Zentrum unserer Projekte stehen deshalb immer die Jugend und das Bemühen, sie für diese beispiellosen geschichtlichen Ereignisse zu sensibilisieren. In der Welt unserer Kinder ertrinkt man in Informationen. Die Grenze zwischen der realen und der virtuellen Welt wird insbesondere im Internet immer mehr verwischt. Ich erachte es als unsere permanente Aufgabe, Antisemitismus und Holocaustleugnung zu entlarven und unserer jungen Generation – den Bürgerinnen und Bürgern von morgen – die Werkzeuge in die Hand zu geben, mit denen sie das Wesentliche vom Unwesentlichen sowie die Realität von der virtuellen Welt unterscheiden können.

Die IHRA hat mit verschiedenen Akteuren und Organisationen, darunter auch der SIG, zusammengearbeitet. Wie haben Sie diese Zusammenarbeit erlebt?

Die Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren und Organisationen, namentlich auch dem SIG, hat nicht erst mit dem Präsidialjahr begonnen. Sie bildet bereits seit Jahren eine solide Grundlage für unsere Arbeit. Als die Schweiz 2004 beschloss, der IHRA beizutreten, wurde eine Gruppe aus den betroffenen zivilgesellschaftlichen Schweizer Organisationen und Akteuren eingesetzt. Die Zusammenarbeit mit dieser Gruppe verläuft hervorragend und fördert die Arbeit unserer Delegation bei der IHRA. Sie dient aber auch der Vernetzung und Sensibilisierung sämtlicher Akteure in der Schweiz für die Aktivitäten der IHRA. Im Rahmen dieser circa dreissig Personen zählenden Gruppe wurden verschiedene Projekte entwickelt, welche wir an den beiden Plenarversammlungen in Genf und Bern präsentieren konnten.

Welches war für Sie ganz persönlich der eindrücklichste Moment während Ihrer Zeit als Präsident der IHRA?

Der eindrücklichste Moment während meiner Zeit als Präsident der IHRA war zweifellos die Teilnahme am «March of the Living» von Auschwitz nach Birkenau im April dieses Jahres. Beeindruckt haben mich aber auch die Ernsthaftigkeit und Intensität der Diskussionen unter den Delegationen während der IHRA-Plenarversammlungen.

Sie haben sich dieses Jahr nun sehr intensiv mit dem Holocaust beschäftigt. Was nehmen Sie mit als wichtigste Erkenntnis?

Als Bürger und Familienvater bin ich der festen Überzeugung, dass der Holocaust niemals in Vergessenheit geraten oder relativiert werden darf und dass wir insbesondere unserer Jugend stets in Erinnerung rufen müssen, was die systematische Diskriminierung und Ausgrenzung der Anderen für katastrophale Folgen haben kann.

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