Sunday, 25. November 2012,

Meine sehr geehrten Damen und Herren

Ich freue mich sehr, dass ich anlässlich der Eröffnung der Korczak-Wochen und im Rahmen der heutigen Vernissage der Ausstellung „Ich bin klein, aber wichtig“ ein Grusswort des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes an Sie richten darf. Der SIG ist der Dachverband der Juden in der Schweiz, dem 17 jüdische Gemeinden angeschlossen sind. Gerne nutze ich die Gelegenheit, zunächst einmal der KorczakGesellschaft, der jüdischen Gemeinde Bern und der Kirchgemeinde Johannes zur Ausrichtung dieser beeindruckenden Veranstaltungsreihe, die ja schon letztes Jahr mit grossem Erfolg durchgeführt wurde, zu gratulieren.

1898 schrieb Janusz Korczak über seine Reise in die Schweiz: „Wenn unser Geist, ermüdet von den Sorgen des Alltags, die Nerven von der fieberhaften Arbeit geschwächt, und unser ganzer Organismus, in seinen Grundfesten erschüttert, anfangen, ihren Dienst zu versagen, dann ist es heilsam, sich aus der ungesunden Umgebung loszureissen, eine Zeitlang die Probleme, das, was uns beschäftigt, in Beschlag nimmt und lästige Pflicht ist, abzuschütteln und zu vergessen. … Wo soll man Erholung und Gesundheit suchen, wenn nicht in den Bergen?“

Sein Vater war zwei Jahre vorher gestorben. Für Korczak, den jungen Medizinstudenten, bedeutete dies, dass er von nun an auch mithelfen musste, den Lebensunterhalt für sich, seine Schwester und seine Mutter zu bestreiten. Das zehrte an ihm, und vor diesem Hintergrund versteht man auch seine Einstellung zur Erholung vom Alltag. In der Schweiz besuchte Korczak unter anderem Zürich und Luzern, im August 1898 nahm er offenbar auch am II. Zionistenkongress in Basel teil. Dass Korczak mit bürgerlichem Namen Henryk Goldszmit hiess und dass er einer jüdisch-assimilierten Warschauer Familie entstammte, ist hinlänglich bekannt. Doch wie bewusst war ihm sein Judentum? War er auch zionistisch geprägt? Wie verstand er sich als Pole und als Jude? Das sind Fragen, die unter anderen im Rahmen der diesjährigen Korczak-Wochen diskutiert werden.

Um Korczak verstehen zu können, muss man sich vergegenwärtigen, dass Polen nach jahrzehntelanger Teilung erst 1918 als unabhängiger Staat wieder erstand und dass ein Drittel der Warschauer Bevölkerung zu dieser Zeit jüdisch war. Beides – der Kampf für die Wiedererlangung der polnischen Souveränität und die Verwurzelung im jüdisch-aufgeklärten Milieu – prägten Korczak zutiefst. Im Zusammenhang mit dem offenen Antisemitismus, der sich sodann in der Gesellschaft ausbreitete, reiste er in den 1930er Jahren zweimal nach Palästina und erwog gar die Emigration, die er letztlich aber verwarf. Als im August 1942 die zweihundert jüdischen Kinder des von ihm aufgebauten Waisenhauses aus dem Warschauer Ghetto nach Treblinka deportiert wurden, bestand Korczak darauf, seine Kinder in den sicheren Tod zu begleiten. Doch Janusz Korczaks Wirken und Ausstrahlung leben über seinen Tod hinaus weiter. Als grosser Humanist bleibt er uns in Erinnerung, als Verfasser hervorragender pädagogischer und Kinderbücher, und als liebevoller Kämpfer für die Rechte der Kinder, etwa auf Respekt, Gerechtigkeit und Mitwirkung. Damit war er seiner Zeit weit voraus.

Die Vereinten Nationen würdigten Korczaks Lebenswerk, indem sie das Jahr 1979 zum Internationalen Jahr des Kindes erklärten. Die 10 Jahre später beschlossene UNO-Kinderrechtskonvention ist stark von Korczaks Ideen beeinflusst. Und damit schliesst sich auch der Kreis zum Judentum, wo die Kinder als Träger der Verheissung seit jeher eine besondere Stellung einnehmen. Bereits in den Heiligen Schriften gilt die Erziehung des Kindes zu einem Wesen, das in der Nachfolge Abrahams das Recht liebt und liebende Gerechtigkeit übt, als religiöse Pflicht.

Dazu gehört notwendigerweise die Wissens- und Wertevermittlung durch die Eltern und deren Vorbildfunktion. Den Kindern, sowohl in beruflicher Hinsicht, als auch in jüdischer, ethisch-religiöser Hinsicht die qualitativ beste Ausbildung zu geben, gilt seit jeher als hohes Ideal. In diese Tradition reiht sich die Persönlichkeit Korczaks ein.

Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen allen anregende, spannende und respektvolle Begegnungn während der Korczak-Wochen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

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