Tuesday, 9. December 2014, Bern

Sehr geehrte Damen und Herren

Ich freue mich sehr, dass ich Ihnen anlässlich der Eröffnung der BESA-Ausstellung hier in Bern die besten Grüsse des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG übermitteln darf. Der SIG, der Dachverband der jüdischen Gemeinden der Schweiz, hat es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, in Verantwortung für Vergangenheit und im Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus die Erinnerung an den Holocaust wach zu halten und entsprechende Projekte, insbesondere auch erzieherische, zu unterstützen. Aus diesem Grund war es für unseren Dachverband eine Ehre und ein Anliegen, diese Ausstellung zu unterstützen. Sie ist, wie Sie aus der Ankündigung gesehen haben, eine Ausstellung von Yad Vaschem, der Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem.

Lassen Sie mich vorerst den Organisatoren dieser Ausstellung, Sandra Hoffmann, Esther Hörnimann, Alain Pichard und Lahor Jakrlin, danken und gratulieren. Ihrer Initiative ist es zu verdanken, dass diese Ausstellung mit einem spannenden Rahmenprogramm aufbereitet wurde, und nicht nur hier in Bern, sondern in vielen anderen Schweizer Städten mit sehr grossem Erfolg gezeigt wird. Und mit der Bereitschaft der Stadt Bern, den Organisatoren die Räumlichkeiten hier im Kornhausforum kostenlos zur Verfügung zu stellen, setzt Bern ein wichtiges Zeichen im Einsatz für Toleranz und Respekt.

Was zeichnet diese Ausstellung aus? Was unterscheidet sie von allen anderen Ausstellungen, die sich mit dem Thema des Holocaust befassen? Während üblicherweise der Fokus solcher Ausstellungen auf die Opfer gerichtet ist – und das ist zweifellos ein ganz wichtiger Ansatz – so geht es hier darum, einmal den Rettern ein Denkmal zu setzen. Die Einstellung gegenüber den Juden in der Nazizeit, sei es im Deutschen Reich, aber auch in den von den Nazis besetzten Ländern, reichte von Gleichgültigkeit bis zu Feindseligkeit. Die breite Masse sah zu, wie Nachbarn, die häufig sogar Freunde waren, zusammengetrieben und getötet wurden, manche machten mit den Tätern gemeinsame Sache, viele profitierten von der Enteignung der Juden und viele verschlossen einfach ihre Augen. In einer Welt totalen moralischen Zusammenbruchs gab es aber eine kleine Minderheit, die aussergewöhnlichen Mut an den Tag legte, um menschliche Werte hoch zu halten. Dazu zählten die Menschen in Albanien. Ihnen ist diese wunderbare Ausstellung gewidmet. Entgegen der weitherum herrschenden Haltung betrachteten diese Retter die Juden als Mitmenschen, für die sie sich verantwortlich fühlten. Wie Sie aus den Fotografien und Beschreibungen in der Ausstellung sehen, handelte es sich häufig um einfache Menschen, die wohl nie dran gedacht haben, jemals zu heldenhaften Menschen zu werden. Doch die Situation damals hat sie zu Helden gemacht. Das Motto dieser Ausstellung sagt es treffend: „Als fast alle das Falsche taten, handelten einige richtig“. Gerade ihre unglaubliche Menschlichkeit und ihr Mut sind es, die uns berühren und uns als Vorbild dienen sollten. In Dankbarkeit und in Erinnerung an nicht-jüdische Menschen, die sich in der Nazizeit für die Rettung von Juden eingesetzt haben, hat Yad Vaschem diesen Menschen einen Ehrentitel verliehen, nämlich „Gerechte unter den Völkern“. Bis heute wurde 99 Albanern dieser Ehrentitel zuerkannt.

Die Ausstellung zeigt auf, dass es ein Grundpfeiler albanischer Ethik ist, einem Fremden zu helfen, der Hilfe benötigt, unter völliger Hintanstellung der eigenen Interessen und Bedürfnisse. Dieses Ehrenkodex, genannt BESA, entstammt dem uralten albanischen Gewohnheitsrecht, das bis heute in der albanischen Gesellschaft wirkt. Ich fände es interessant, zu erfahren, ob und in wie weit BESA auch heute noch zur Werteordnung jener Menschen gehört, die nicht mehr in Albanien leben, sondern vielleicht schon in zweiter oder sogar dritter Generation im Ausland leben, so zum Beispiel auch in der Schweiz.

Wir Juden sind den Albanern für ewig zu Dank verpflichtet für ihre zutiefst menschliche und mutige Haltung, die sie im zweiten Weltkrieg eingenommen haben, auch auf die Gefahr hin, von den deutschen Besatzungstruppen gefangen genommen und selbst getötet zu werden. Dieser Mut, dieser Einsatz für den Mitmenschen soll uns allen als Wegleitung für unsere eigene Zukunft dienen. Das gilt vor allem auch für die jungen Menschen, die diese Ausstellung sehen werden. Und die albanisch-stämmigen Menschen soll diese Ausstellung mit Stolz erfüllen über das, was für eine grossartige, uneigennützige Haltung ihre Vorfahren in ihrer früheren Heimat an den Tag gelegt haben. Wenn wir heute in der Schweiz und in vielen anderen Ländern mit Flüchtlingen, ja Flüchtlingsströmen konfrontiert sind, sollten wir an die Menschlichkeit und den Mut jener Menschen denken, und unsere eigene, häufig abweisende Haltung überdenken.

Und noch etwas: Gerade in einer Zeit, in welcher Spannungen zwischen Juden und Muslimen entstanden sind, ist es aus meiner Sicht ganz besonders wertvoll und wichtig, dass diese Ausstellung gezeigt wird. Über alle politischen Differenzen hinweg sollen sich Menschen gegenseitig respektieren und helfen. Als religiöse Minderheiten in diesem Land sind wir beide, Juden und Muslime, immer wieder mit Diskriminierungen bis hin zu Anfeindungen konfrontiert. Die letzten Monate waren ein trauriges Beispiel dafür. Lasst uns gemeinsam dagegen ankämpfen und lasst uns unter uns nicht das Trennende, sondern das Gemeinsame betonen. Davon gibt es vieles!

In diesem Sinne wünsche ich dieser wichtigen Ausstellung viel Erfolg. Sie verdient es!

Ich danke Ihnen!

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