Sunday, 14. June 2015, Murten

Ich freue mich, auch dieses Jahr wieder unter Ihnen sein zu können und bedanke mich für die Gelegenheit, Ihnen einmal mehr die besten Grüsse und Wünsche des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG, des Dachverbandes der Juden in Schweiz, zu überbringen. Ich tue dies mit grosser Freude und Ehre.

Vor zwei Jahren war ich letztmals bei Ihnen zu Gast. Seit damals konnten wir unsere guten Beziehungen weiter festigen und die Kontakte zwischen unseren Religionsgemeinschaften vertiefen. Abgesehen von mannigfachen lokalen und regionalen Dialogplattformen, sind es auf nationaler Ebene vor allem die EvangelischJüdische Gesprächskommission (EJGK), die sich aus Vertretern des SIG und des SEK zusammensetzt, und die regelmässigen Treffen der Delegationen Ihres Rates und unserer Geschäftsleitung, die auf institutioneller Ebene den Dialog führen. Hier wird stets diskutiert, engagiert, manchmal kritisch, immer konstruktiv. Besonders interessant fand ich eine Tagung, die die EJGK im letzten Jahr durchgeführt hat. „Land Israel, Heiliges Land, Staat Israel – historisch-theologische Zugänge“ lautete das Thema. Sowohl die Referate, als auch die anschliessenden Diskussionen waren hoch spannend. Es war eine wahre Freude, wie offen und intensiv Christen und Juden miteinander über heikle Themen debattierten! Schade ist nur, dass es nicht mehr Teilnehmer gab.

Ihren Präsidenten, Pfarrer Dr. Gottfried Locher, sehe ich natürlich regelmässig auch im Schweizerischen Rat der Religionen. Aber auch ausserhalb des Rats stehen wir zwei in gutem Kontakt und diskutieren über das, was unsere Glaubensgemeinschaften, aber auch uns persönlich, beschäftigt. Diesen offenen Austausch, lieber Gottfried, schätze ich sehr. Wir sind uns in diesen Gesprächen so nahe gekommen, dass ich ohne Zögern sagen würde, dass ich Dich, mittlerweile als einen Freund betrachten darf.

Es gab wahrlich viel zu diskutieren in letzter Zeit. Über Religionen und das Verhältnis untereinander und, wie man so sagt, über Gott und die Welt. Fast im ganzen Nahen Osten herrschen Krieg und Chaos. Millionen Menschen sind auf der Flucht. Das Abschlachten scheint kein Ende zu nehmen. Die Fronten laufen entlang der Religionen und Ethnien. Minderheit wie die Christen und Jesiden kämpfen dort ums Überleben. Die Auswirkungen dieser Wirren beeinflussen auch uns in der Schweiz.

Für den SIG waren daher die letzten 12 Monate sehr schwierig. Stichwort Krieg in und um Gaza: Wie immer man zum Nahostkonflikt steht, ist das, was wir Juden in der Schweiz während des Krieges im letzten Sommer erlebt haben, nicht tolerierbar. Die bösen Emails und Briefe, Drohungen auf Facebook und Beschimpfungen auf der Strasse haben nun einfach nichts mehr mit Kritik an Israel respektive dessen Regierung zu tun –oft ging es überhaupt nicht mehr um Israel, wenn beispielsweise auf Facebook gefordert wurde, man müsse alle Juden vergasen. Das war blanker Hass, Hass auf die Juden, Antisemitismus pur! Es ist traurig, feststellen zu müssen, dass Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern immer wieder Menschen dazu veranlassen, ihren antisemitischen Gefühlen freien Lauf zu lassen.

Wir haben jedoch damals auch sehr Positives erlebt. Wir haben nämlich nicht nur Hassmails, sondern auch dutzende freundliche aufmunternde Briefe erhalten. Die Absender dieser Briefe und Emails waren fast immer Christen. Die EJGK hat im letzten Sommer sehr deutlich Stellung bezogen bezüglich dieser Exzesse. Auch vom SEK fühlten wir uns in dieser Situation unterstützt. Die klare Haltung der reformierten Kirche hat uns sehr berührt.

Und nach den brutalen Mordanschlägen auf Juden in Brüssel, Paris und Kopenhagen, die Besorgnis, ja Angst, in unsere Basis auslösten, reagierte die EJGK, zusammen mit der jüdisch-römisch katholischen Gesprächskommission mit einer klaren Botschaft und forderte in einer offenen Stellungnahme mehr Sicherheit für die jüdischen Gemeinden in der Schweiz.

Dass Juden und Christen heute zusammenstehen und gemeinsam Position beziehen, ist sehr erfreulich. Im Kampf gegen Antisemitismus wissen wir heute, dass die reformierte Kirche auf unserer Seite steht. Gesellschaftspolitisch ziehen Juden und Christen heute grösstenteils am gleichen Strang. Beide kämpfen wir für eine offene, menschliche Schweiz und Migrationspolitik; wir vertreten die gleichen Werte. Das Verhältnis zu der reformierten Kirche ist heute sehr gut – auch wenn es nach wie vor zu gewissen Themen Differenzen gibt.

Ich will nicht verhehlen, dass es bei diesen Differenzen meist um Israel geht: Ihr Hilfswerk, das HEKS, propagiert in den Augen vieler Schweizer Juden ein schwarzweisses Bild des Nahostkonflikts. Es stört mich - und nicht nur mich – dass einige der aktivsten Israelhasser in der Schweiz Absolventen eines angeblichen „Friedensprogramms“ sind, eines Programms, welches in der Schweiz unter dem Patronat des SEK steht.

Im letzten Sommer haben wir den SEK und das HEKS, welches in der Schweiz verantwortlich ist für die Teilnahme von Freiwilligen an diesem Programm, darauf aufmerksam gemacht, dass eine Person, die dieses Programm gleich zweimal absolviert hat, in der Schweiz aktiv Stimmung gegen Juden macht. Auf einer von ihr erstellten Facebookseite liess sie zu, dass Dritte in ihren Einträgen Juden gar mit dem Tod bedrohen. Als wir diese antisemitischen Drohungen verurteilten, bezichtigte uns die Person sogar noch der Brandstiftung und der Hetze. Während der SEK sich im direkten Gespräch mit uns klar und deutlich von dem Tun und dem Gedankengut dieser „Friedensprogramm-Absolventin“ distanzierte, verteidigte das HEKS sie. Das hat uns sehr enttäuscht. Und die Israelhasserin macht weiter: Diese Woche liess sie wiederum einen Eintrag von einer Drittperson auf ihrer Facebookseite stehen, der den Titel trug: „Israel and ISIS are similar in several fundamental ways“, zu Deutsch etwa „Israel und der Islamische Staat sind verschiedentlich in grundsätzlicher Weise ähnlich“.

Lassen Sie es mich klar und deutlich sagen: Eine Dämonisierung des jüdischen Staates, wie sie leider immer wieder von Absolventen dieses sogenannten Friedensprogramms propagiert wird, erschwert nicht nur eine friedliche Lösung in Nahost, sondern auch den Kampf gegen Antisemitismus hier in der Schweiz

Dennoch: Das Verhältnis zu der reformierten Kirche ist heute von Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung geprägt – trotz Meinungsverschiedenheiten, wie sie zwischen Partnern immer wieder vorkommen können. Ja, sie lösen zwar gelegentlich Verstimmungen aus, die wir aber heute im Geiste des gegenseitigen Respekts in gemeinsamen Gesprächen austragen. Sie zeigen aber auch, dass es dem Dialog ähnlich geht wie der Freiheit: Auch einem bereits erreichten Stand im partnerschaftlichen Dialog muss permanent Sorge getragen werden. Sich auf den Lorbeeren des Erreichten auszuruhen ist schlicht verboten! Pflegen wir also weiterhin den Dialog auf Augenhöhe, und diskutieren wir weiterhin nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Differenzen. Ich bin überzeugt, dass davon alle profitieren!

Lassen Sie mich schliessen mit dem erneuten Dank für Ihre Einladung, an dieser Abgeordnetenversammlung dabei sein zu dürfen. Ich wünsche Ihnen noch weiterhin eine erfolgreiche Versammlung und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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