Thursday, 16. April 2015,

Sehr geehrte Damen und Herren

Vorerst möchte ich mich bei Ihnen, liebe Doris Fiala und Beat Walti, für die freundliche Einladung zur Teilnahme an dieser Veranstaltung danken. Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, einige Worte namens des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes SIG, des Dachverbands der jüdischen Gemeinden der Schweiz, an Sie zu richten.

In wenigen Monaten feiert die jüdische Gemeinschaft den 150. Geburtstag der völligen rechtlichen Gleichstellung der Juden in der Schweiz. Wie Sie vielleicht wissen, durften Juden als Minderberechtigte während Jahrhunderten nur an ganz wenigen Orten in der Schweiz leben. Mit dem Erlangen der Niederlassungsfreiheit 1866 hat sich dies natürlich gewandelt und seit damals hat sich die jüdische Gemeinschaft zu einer anerkannten und respektierten Minderheit entwickelt, die mit Ruth Dreyfuss sogar eine Bundespräsidentin stellte. Wenn ich jeweils gefragt werde, wie gut die Juden in der Schweiz integriert sind, antworte ich immer, dass die Frage falsch gestellt sei, da der grösste Teil der Juden schon seit Generationen hier lebt, Schweizer sind und alle Rechte und Pflichten eines Schweizer Bürgers wahrnehmen. Mit anderen Worten: Wir sind, wenn auch als religiöse Minderheit, schlicht und einfach ein integraler Teil der schweizerischen Gesellschaft. Und übrigens: Wenn wir von Minderheiten sprechen, besteht unsere Gesellschaft nicht ohnehin weitgehend aus Minderheiten? Im einen Kanton bildet die eine christliche Konfession die Mehrheit, die andere die Minderheit. Im anderen Kanton ist es gerade umgekehrt. Sind nicht auch Walliser Bergbauern, Rätoromanen, Sinti und Roma, Secondos etc. Minderheiten? Einer Minderheit anzugehören, macht geradezu den typischen Schweizer aus. Soviel zum Begriff der Minderheit in der Schweiz.

Gerade als Juden wissen wir aufgrund unserer Geschichte um die Wichtigkeit des friedlichen Zusammenlebens. Gegenseitiger Respekt und die Achtung Andersdenkender gegenüber sind Werte, für welche der SIG einsteht. So wird es Sie nicht überraschen, dass wir uns zum Beispiel bei Volksabstimmungen, welche die Interessen von Minderheiten tangieren, immer wieder klar und deutlich für die Rechte und den Schutz dieser Menschen aussprechen und einsetzen.

Und weil das friedliche Zusammenleben ganz wesentlich auf einem regelmässigen Dialog beruht, führen wir auch aus tiefer Überzeugung den Dialog mit anderen Religionen. Seit vielen Jahren mit den christlichen Religionen, seit einiger Zeit aber auch mit den Muslimen. Mit diesem Dialog wollen wir uns nicht nur gegenseitig kennenlernen, sondern auch Unsicherheiten und Vorurteile abbauen.

Ja, das friedliche Zusammenleben der sogenannten Mehrheitsgesellschaft mit Minderheiten in unserem Land ist tatsächlich ein Teil des Erfolgsmodells der Schweiz. Wir alle, Bürger dieses Landes, können stolz darauf sein und müssen dem Sorge tragen. Genauso wichtig sind aber auch gute Beziehungen unter bzw. zwischen den Minderheiten. Ganz besonders betonen möchte ich die Notwendigkeit des friedlichen Zusammenlebens von religiösen Gemeinschaften. Gerade im letzten Sommer, als in den sozialen Medien Gewaltdrohungen gegen Juden in diesem Land ausgesprochen wurden, zeigt sich die Wichtigkeit von guten Beziehungen unter bzw. zwischen Religionsgemeinschaften. Die Kirchen solidarisierten sich mit uns. Damals veröffentlichten auch die muslimischen Dachverbände auf ihrer Webseite einen Aufruf an die Muslime im In- und Ausland und missbilligten mit Nachdruck alle Hasstiraden, Verunglimpfungen und Entwürdigungen gegen Andersgläubige. Aus Gesprächen der jüdischen mit den muslimischen Dachverbänden resultierte danach eine gemeinsame Erklärung der Juden und Muslime in der Schweiz. Darin wurden Juden- und Muslimfeindlichkeit und jegliche Form von Rassismus entschieden verurteilt. Diese Erklärung trug bereits wenige Wochen nach ihrer Publikation erste Früchte. Die Planung lokaler Plattformen, in welchen Juden und Muslime sich kennenlernen und austauschen können, wurde gemeinsam an die Hand genommen und wird hoffentlich dieses Jahr Wirklichkeit werden.

Damit steuern Juden und Muslime einen wichtigen Beitrag zum friedlichen Miteinander religiöser Minderheiten in diesem Land bei. Dieses ist, gerade in den letzten Wochen und Monaten als Folge von Ereignissen im Ausland, Verunsicherungen ausgesetzt, die, so fürchte ich, auch den religiösen Frieden in unserem Land gefährden können. Stellen wir uns einmal vor, dass es in der Schweiz zu einem terroristischen Anschlag wie in Brüssel, Paris oder Kopenhagen käme, wie wäre es da mit unserer friedlichen Koexistenz bestellt? Schon allein deswegen muss der Staat die Aufgabe wahrnehmen, die Sicherheit aller Bürger und aller Gemeinschaften bestmöglich gegen Angriffe auf Leib und Leben zu schützen. Schöne Worte seitens unserer Magistraten tun gut, helfen aber in Zeiten gesteigerter Bedrohungslagen wenig. Hier braucht es konkrete Massnahmen.

Ich bin auch fest überzeugt: Um die Rechte der Minderheiten zu sichern, ist vor allem auch die Mehrheitsgesellschaft gefordert. Diese kann nur in Frieden und Sicherheit leben, wenn die Rechte aller gewahrt werden und das Diskriminierungsverbot geachtet wird. Die Rechte der Minderheiten garantieren auch der Mehrheit ihre Freiheit. Und die Qualität einer Demokratie bemisst sich an ihrem Umgang mit den Minderheiten in ihrer Gesellschaft. Deshalb muss dem zunehmenden Kampf gegen die Freiheitsrechte, etwa den Angriffen auf die Menschenrechtskonvention oder andere internationale Verpflichtungen, aber auch den Angriffen auf die Rassismusstrafnorm entschieden entgegengetreten werden.

Die Vision des Auschwitz Institute for Peace and Reconciliation, dessen Direktor heute vor uns spricht, passt sehr gut zu diesem Kampf für Freiheitsrechte und den Schutz von Minderheiten. Dieses Institut setzt sich seit Jahren dafür ein, dass Genozide und Gräueltaten in Zukunft verhindert werden. Dafür investiert das Auschwitz Institute auch viel Energie in Erziehungsprogramme. Ein Engagement, das ich besonders wichtig finde. In diesem Sinne hoffe ich, dass die Schweiz weiterhin ein Erfolgsmodell für das friedliche Zusammenleben mit und unter Minderheiten und der Schutz dieser Minderheiten durch den Staat auch in Zukunft gewährleistet bleibt.

Ich danke Ihnen.

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